Bremen. Der 11. swb-Marathon ruft, und wir kommen. So eine bekannte Super-Veranstaltung, da müssen wir hin. Besonders ich, wo ich doch fast 12 Jahre hier gelebt habe.
So warten Roger, Helge, Hardie und ich am Sonntag um 7:54 Uhr in Nienburg auf den Zug.
Im Vorfeld konnten wir Hardie übrigens nicht überzeugen, auch in Bremen zu starten. Aber engagiert als unser persönlicher Fotograf, Rucksackaufpasser und moralischer Betreuer steht er nun auch frierend mit uns zusammen auf dem Bahnsteig.
Bereits im Bremer Hauptbahnhof treffen wir auf die ersten Läufer. Unverkennbar zieht sich der Strom der startbeutelbepackten Menschen in Laufschuhen Richtung Innenstadt. Das gesamte Areal um Marktplatz und Dom steht im Zeichen des Marathons. Ein irres Getümmel und Gewusel. An die 8000 Starter sollen es heute sein.
Ratzfatz, wie auch immer, gehen Helge und mir ‘unsre Mannslüt‘ verloren. Tja, und nun? Ruhe bewahren, gucken, warten. Erschüttert, aber tapfer widmen Helge und ich uns dem Drama der Kleiderfrage: Lang? Kurz? Doch lieber lang? Noch ist es ziemlich frisch.
Wir besuchen schnell noch'n Dixi, geben die Kleiderbeutel ab und stehen immer noch einsam und verlassen da, seufz. Mit strengem Blick auf die Uhr entscheidet Helge: “Wir müssen zum Start, hilft nix!“
Etwas gequetscht stehen wir dann im Startblock. Eine Zitterpartie vom Feinsten. Nicht nur, dass ich tierisch nervös werde, meine GPS-Uhr erhält keinen Satelliten-Empfang. Dom, bist Du der Grund? Wie blöd halte ich meinen Arm samt Uhr hoch, recke, drehe und wende mich, schon irgendwie peinlich. Prompt werde ich gefragt, ob ich die Uhr gefunden hätte? Ganz offenbar von einem Nicht-Läufer. Es dauert, dann begreife ich seine Frage. Es folgt Aufklärung und Gelächter.
Im Nu geht alles Schlag auf Schlag: Roger und Hardie tauchen plötzlich vor uns auf, meine Uhr hat Empfang, der Moderator zählt von zehn auf null, Startschuss – und wir stehen immer noch. Dauert bei soooo vielen Läufern halt etwas, aber nach zwei-drei Minuten überqueren auch wir die Startlinie, juchu.
Roger, eben noch da, schon ist er weg und ward nicht mehr gesehen. Auch Helge setzt zum Spurt an und treibt mir das pure Entsetzen ins Gesicht : “Hey Helge, ich dachte, wir wollten langsam laufen?“ Helge’s nüchterne Erklärung: “Da vorne waren so ein paar lahme Enten, die haben mich gestört!“. Einen Kilometer noch laufen wir zusammen. Dann trennen sich unsere Wege.
Ich hänge mich an einen männlichen Läufer mit Zopf und lasse mich ziehen, wohl wissend, dass das Tempo (also seins) für mich eigentlich einen Ticken zu hoch ist. Aber meine Beine tun wie immer, was sie wollen und ich lass sie laufen. Schlimmer noch, ich lass mich regelrecht hinreißen und verführen von dieser grandiosen Atmosphäre um mich herum, von genialen Zuschauern und der schönen, mir so vertrauten Wegstrecke, dass ich völlig das Trinken und Essen vergesse. Ups, shit happens!
Hatten wir alle heute früh noch geschnattert vor Kälte, so fangen nun die ersten schon an, über die Wärme zu stöhnen. Ich habe zwar keinen Spiegel dabei, aber ich merke, wie mein Gesicht die Farbe einer reifen Tomate annimmt. Die eifrigen Helfer kommen mit dem Füllen der Trinkbecher kaum noch nach. Ablenkung muss her. Zum Glück kommen nun die letzten acht Bremen-spezifischen Kilometer, die diesem Lauf das besondere Etwas verleihen. Überseestadt, mitten durch einen Speicher durch, die Schlachte runter, wo die Zuschauer von den Kaimauern herab sich scheinbar gar nicht mehr einkriegen, den Osterdeich entlang der Weser, quer durch das Weserstadion…
Im Ziel treffe ich eine höchst zufriedene Helge: “Ich hatte keinen einzigen Tiefpunkt. Essen und trinken klappte, kein Seitenstechen, keine Krämpfe, hat alles gepasst. Auf den letzten zwei Kilometern konnte ich sogar noch etwas anziehen. Vorgenommene Zeit erreicht, was will frau mehr?“
Roger entlocke ich, dass auch er mit seiner Leistung vollkommen zufrieden ist :“Gleich zu Beginn Gas geben und schauen, wie lange ich das Tempo durchhalte. Hat bis Kilometer sechzehn auch gut geklappt.“ Ja, beneidenswert!
Wenn’s auch der Augenblick just nicht bei mir vermuten lässt, weil ich nun doch arg die Quittung für meinen Kardinalfehler erhalte und auf dem Heimweg ohne armkräftige Unterstützung verloren gewesen wäre, so bin auch ich eigentlich mit mir zufrieden. Das, was mir wichtig war, habe ich geschafft, so what.
Es ist ein sehr schöner Tag gewesen, der wie im Fluge vergangen ist. Will mehr davon!
Chris